Entwurf und Prototyp: bewegende Architekturmanufaktur GesbR (Christoph Müller, Anel Bucan)
Support: RISC Software GmbH, P. Michael Schultes von experimonde | Die Welt des Experiments
Projektstand: Prototyp
Jahr: 2021, Wien
Auf öffentlichen Plätzen findet eine breite Anzahl von Aktivitäten statt. Neben
Konsum und Transit, werden diese Orte mit unterschiedlichsten Veranstaltungen vom Grätzlfest bis zum Marathonlauf bespielt. Menschen aller Couleur treffen aufeinander und nutzen den Raum zu unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Der öffentliche Raum ist dabei ein Ort des Austausches und der Kommunikation. Wie können wir mittels Stadtgestaltung auf diese vielschichtigen Anforderungen reagieren, diese fördern und gar noch lebendiger machen? Öffentlicher Raum müsste sich verändern können, um auf kulturelle Anforderungen zu reagieren. Nutzerinnen aller Art müssten diese Gestaltung aktiv beeinflussen können. Wäre es nicht ideal, wenn wir öffentliche Plätze ebenso programmieren könnten, wie den digitalen Raum? Ziel ist das Schaffen von programmierbarer interaktiver aufblasbarer Architektur für den urbanen Raum. Kurz gesagt: Pop-Up-Architektur. Passanten können diese demokratisch an aktuelle Bedürfnisse anpassen. Kommunen können mittels dieser Architektur den Nutzerinnen gezielt Raum geben und kulturelle Aktivitäten im öffentlichen Raum fördern.
Welches Konstruktionsprinzip könnte uns eine sehr breite Palette an möglichen Formen bieten, um eine Vielzahl an Anforderungen erfüllen zu können? Unser Konstruktionsprinzip ist inspiriert von einem Luftballontier. Durch einfache Transformationen, können dabei aus einfachen schlauchförmigen Ballonen, schier unendliche viele unterschiedliche Geometrien erzeugt werden.
Mit dem Projekt wurde noch nicht gestartet. Zwei kleine Prototyp wurde jedoch entwickelt, um das Kernprinzip des Förderantrages zu prüfen und zu visualisieren. Beim ersten Prototyp wurde ein Vinyl-Schlauch verwendet und mit einfachen Frischhalteclips abgeklemmt. Eine Luftpumpe wurde verwendet, um die Form aufzublasen.
Im zweiten Prototyp wurde eine reißfeste Gewebeplane verwendet um das Prinzip auch im größeren Maßstab zu überprüfen. Im Bild wurde eine 11 m lange Form erstellt, die mit lediglich 2,4 Kilogramm Gewicht eine sehr leichte und ressourcenschonende Konstruktion bildet. Bei diesem Prototyp hat uns fasziniert, dass lediglich durch regelmäßiges Ein- und Ausschalten des Gebläses, bereits eine Assoziation mit “Atmen” und so auch Lebendigkeit entsteht.
Die Hardware besteht aus jeweils einem Radialgebläse, einem Rohrmotor und einem Luftdrucksensor. Diese sind in einer einfachen Box aus Siebdruckplatten verbaut.
Im Schnitt erkennt man die Positionierung der Bauteile Die Membran, quasi der Ballon, ist lila dargestellt. Das Radialgebläse bläst Luft
in die Membran. Der Rohrmotor kann diese aufund abwickeln.
Eingesaugt und abgelassen wird die Luft über einen Lufteinlass im Bereich des Sockels.
Die Abmessung eines Roboters sind stapelbare 60 x 50 x 85 cm. Die Roboter werden einfach zu transportieren sein und können so auch spontan eingesetzt werden. Eine kraftschlüssige Verbindung zum Boden wird je nach Untergrund überprüft und bei längerfristigen Einsatz hergestellt.
Jede Maschine kann die Membran ausblasen und wieder einwickeln.
In der Darstellung ist der Roboter im Ausgangszustand. Nutzer*innen nähern sich den Robotern und scannen den QR-Code, um das Möbel ausfahren.
Der Rohrmotor wickelt Pneu ab. Das Radialgebläse bläst zeitgleich Luft in die Struktur. Die Struktur bläst sich auf und nimmt mehr und mehr Form an.
Die aufgeblasene Struktur reagiert mit sehr sanften “Atmen auf” den Benutzer. Dieses “Atmen” dient auch dem ständigen Füllen der Struktur, falls Luft austritt.
Form 1 – als Sitzgelegenheit
Derzeit sehen wir vier Nutzungsszenarien vor. Im Gegensatz zu einer linearen Anordnung von Sitzgelegenheit erlaubt die Zickzack-Form viele Möglichkeiten der Kommunikation der Besucher*innen
Form 2 – als Straßenbühne
Zweites Nutzungsszenario ist ein Straßenbühne, die beispielsweise bei Grätzelfesten eingestzt werden kann. Im Gegensatz zur Sitzgelegenheit, schafft dieses Szenario mehr Raum im Inneren der Struktur und artikuliert so einen Veranstaltungsort für spontane Happenings im öffentlichen Raum wie Kabaretts oder Straßenmusik.
Form 3 – als Tor | Orientierung | Verkehrsregelung
Das Tor funktioniert als Orientierungspunkt und kann beispielsweise bei Happenings wie dem Wien Marathon, dem Fridaynightskating und anderen Aktivitäten schnell eingesetzt werden. Agile Architektur stellt in diesem Fall eine sehr zeitsparende Variante zu bekannten Alternativen dar.
Form 4 – als Liegeflächen
Das vierte Szenario sind Liegeflächen, die zur Erholung genutzt werden können. Orte wie die Donauinsel, der Donaukanal und andere, können ohne bauliche Eingriffe und Fußabdruck schnell und interaktiv bespielt werden.
Zielgruppe des Vorhabens
Das Projekt adressiert Kommunen, die Nutzerinnen im öffentlichen Raum Gestaltungsfreiraum mittels programmierbarer Architektur geben möchten. In einer Pilotphase, sollen vorerst verkehrsberuhigte Bereiche bespielt werden, die unter Verwaltung der Kommune liegen. Denkbar ist auch, “halböffentliche” Anbieterinnen wie Messen, Ausstellerinnen und Gewerbetreibende zu involvieren. Die Pandemie hat gezeigt, dass Architektur flexibler werden muss, um auf sich veränderte Bedingungen reagieren zu können. Wir haben festgestellt, dass der digitale Raum viele Vorteile bietet, aber den analogen nicht ersetzen kann. Zudem war festzustellen, dass der öffentliche Raum ein sehr wichtiger Ort des öffentlichen Austausches, der Kommunikation und des kulturellen Ausdrucks ist. Straßen werden der erweiterte Wohnraum werden. 1 Programmierbare Architektur, ist die Idee einer noch lebenswerteren Lebenswelt für Bewohnerinnen und Tourist*innen
Nachhaltigkeit / Kreislaufwirtschaft
Wichtig ist uns die Widerstandsfähigkeit des Materials, um eine möglichste Lange Nutzung gewährleisten zu können. Die Materialien werden nach ökologischen Gesichtspunkten wie geringem Energieaufwand bei der Produktion und im Sinne der Kreislaufwirtschaft ausgewählt.
Benefit
Für Teilnehmer im halböffentlichen Raum entstehen neue Möglichkeiten, den vorhanden Raum effektiver zu nutzen. Besonders für sozial schwächere Gebiete, können die interaktiven Stadtmöbel zu einem Erweitern der vorhandenen Naherholungsgebiete führen, welche besonders in Lockdowns oder ähnlichen Krisensituationen besonders wichtig sind. Ziel von agile Architektur ist, dass Architektur Raum neu verhandeln kann. Wir wollen das Wissen darüber erweitern, wie aufblasbare Architektur aus smarten Membranen erstellt werden kann, um leichte ressourcenschonende Baustrukturen zu erzeugen. USP von agile Architektur ist die Leichtigkeit und der spielerische Umgang mit halb-öffentlichen Plätzen. Das Ephemere und das gezielt Steuerbare wird vereint und eine einzigartige Lösung für das Verhandeln von Raum in halb-öffentlichen Plätzen geschaffen. Wir wollen Technik nicht verwenden, um zu disziplinieren. Die Robotermodule sehen wir als eine companion species, die menschliche Fähigkeiten erweitert. Ziel ist ein verlängerter Arm, der die Gestaltungsmöglichkeiten im Halb-Öffentlichen erweitert. Ziel des Projektes ist darüber hinaus eine gezielte Verhaltensänderung durch das Beeinflussen von Bewegungsströmen im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Nicht nur in Coronazeiten, sondern auch danach, kann das wesentlich zur Entlastung oder Belebung von Orten beitragen. Der spielerische Aspekt von agile Architektur fördert das Spielen miteinander im Freien. Die Frage nach dem verhandeln von Raum wird dabei ebenfalls spielerisch erörtert und ein lebendiger wachsender Diskurs entsteht. Der wichtigste Aspekt ist für uns Interdisziplinarität. So wie der Computer Einzug in den Wohnraum nahm, wird er zunehmend Einzug in öffentliches Leben nehmen. Wie können Architekten, Elektrotechniker, Materialwissenschaftler und weitere gemeinsam an Lösungen für die Einbettung von Technologie im öffentlichen Raum forschen? Die Programmierbarkeit von Baustrukturen im halb-öffentlichen Raum sehen wir als Ermächtigung von Passantinnen und ihren Benutzerinnen. Es wird diesen ermöglicht, aktiv in die Gestalt ihrer Umgebung, sowie deren Nutzung einzugreifen. Besonders Kindern wird dabei spielerisch vermittelt, wie sie einerseits mit Technologie umgehen können und diese spielerisch erlernen.